Burkhard bei der Deutschen Senioren-EM 2025

In der diesjährigen Seniorenmeisterschaft 2025 war ich in der Altersgruppe 65+ vom Startplatz 29 aus mit dem Ehrgeiz gestartet, einige Plätze „nach oben“ gut zu machen, was aber in den Runden 1-4 zunächst gründlich misslang. Die Binsenwahrweit „auch nominell schlechtere Spieler beherrschen das Schachspiel“ holte mich mit den schwarzen Steinen gleich zweimal ein, sodass das Ergebnis 1,5/4 enttäuschend für mich ausgefallen war. Mein Lerngewinn: Wenn man mit Schwarz ein gerechtfertigtes Remisangebot bekommt, sollte man es annehmen, vor allem dann, wenn der Gegner jahrzehntelange Turniererfahrung aufweist. Im Anschluss gelang mir mit 4,5/5 doch noch eine ansehnliche Aufholjagd, sodass am Ende immerhin die Platzierung 27 unter den ca. 160 Teilnehmern zu Buche stand (bei - 4 Elo-Punkten).
Sehen wir uns aus den beiden sehr unterschiedlichen Turnierhälften jeweils ein typisches Beispiel an:

Runde 4:    Dreke, F. – Zühlke, B    1:0
In der Eröffnung kam nach 1. e4 d6 2. d4 Sf6 3. Sc3 g6 4. Lg5 Lg7 5. Dd2 h6 6. Lh4 g5 7. Lg3 Sh5 8. Sge2 e5!? 

eine bekannte Pirc-Variante aufs Brett:
Besser ist allerdings sofort 8. … Sc6, da man einerseits 9. d5 Se5 nicht zu fürchten hat (man bekommt eine Figur auf e5 und erhält Gegenspiel auf den schwarzen Feldern). Andererseits gelangt nach 9. 0-0-0 e5! 10. d5 Sd4 der Springer ebenfalls auf ein zentrales Feld.
Nach 9. 0-0-0 e5 10. dxe5 ist dann 10. … dxe5! möglich und der Se2 bleibt eine passive Figur (im Gegensatz zur Partiefortsetzung).

Es ging an beiden Brettflügeln sehr dynamisch weiter:
9. 0-0-0 SxLg3 10. hxSg3 Sc6 11. dxe5 Sxe5 12. Sd4 Ld7 13. Le2 a6 14.Sd5 b5?


Der (zu) optimistische schwarze Plan, mit Sc4 und Tb8 ein Gegenspiel gegen den weißen Monarchen aufzuziehen, sollte sich als „zu langsam“ herausstellen.
Besser ist es, mit 14. … 0-0 und evtl. Sg6 oder ggf. Df6 (nach Se3) eine passive, aber verteidigungsfähigere Stellung einzunehmen (ca. +1,0)

Weiß setzte nun seinerseits sein Druckspiel über das Feld f5 fort: 
15. Se3 Tb8 16. Sdf5 Lf6 17. Sxh6 Sc4 18. SxSc4 bxSc4 19. c3 Le6 


Der Verlust des h-Bauern hatte mich noch nicht sonderlich gestört, da der König in der Mitte bleiben sollte. 
Die schwarze Drohung besteht nun in den Manövern „Dame über d7 nach a4“ und „Turm über b5 nach a5“. Ergänzend könnte noch Ke7/d7 und Turmverdopplung auf der b-Linie erfolgen.

Doch der Anziehende war mit seinem (eigentlich offensichtlichen) Plan einfach schneller (Verdopplung auf der h-Linie und Sprengung mit f4):

20. Th5 Dd7 21. Th1 Tf8 22. Dc2! (nimmt der schwarzen Dame das Feld a4) … Tb5 23. f4 Dc6 24. Lg4 Ke7 25. LxLe6 KxLe6 26. Sg4 Ke7 27. SxLf6 KxSf6 28. e5+!.


In hochgradiger Zeitnot übersah ich nun das Turmschach auf h6 und spielte 28. … dxe5?? mit Damenverlust und Partieaufgabe.
Die schwarze Stellung ist jedoch in jedem Fall verloren.


Runde 6:    Wilkens, D. – Zühlke, B.     0:1
Nachdem mir der Gegner in Runde 5 einen eher leichten Gewinn mit den weißen Steinen beschert hatte, lief es in Runde 6 auch mit Schwarz wieder erfreulicher für mich. Der Anziehende hatte mit 1. d4 Sf6 2, Sf3 g6 3. c3 Lg7 4. Lf4 d6 5. e3 Sbd7 6. Sbd2 0-0 7.Ld3 c5 8. h3 b6 9. 0-0 Lb7 10. Te1 a6 11. a4 einen sehr passiven Aufbau gewählt. Gegen den Lg7 baute er die sehr stabile Bauernkette e3-d4-c3 auf, verzichtete dafür jedoch (zunächst) auf aktives Spiel im Zentrum.
Dies nutzte ich mit 11. … Lc6!?


einen ersten zaghaften Versuch:
Mit dem Vorstoß b5 – b4 möchte Schwarz die weiße Bauernkette unterminieren. Die aktive weiße Fortsetzung e4 – e5 ist zwar auch möglich, jedoch nur bedingt wirksam, da es nach einem möglichem e5 mit Angriff auf den Sf6 immer noch Sd5 mit Tempo-Angriff auf den Lf4 gibt. Weiß müsste vorher noch ein Tempo investieren, z.B. Lh2 spielen.
In dieser Stellung rechnete ich eigentlich mit 12. De2, was mich allerdings nicht an 12. … b5 gehindert hätte. Nach 13. axb5 axb5 14. Lxb5 Lxb5 15. Dxb5 Tb8 fällt auch der Bauer b2 und es herrscht weiterhin annähernd Gleichstand.
… nach 12. c4 Lb7 13. d5 ginge ebenfalls wieder 13. … b5!
Schwarz behält jedenfalls die Kontrolle über e5.

Die Partiefortsetzung: 12. Dc2 b5 13. axb5 axb5 14. b3!? Db6 15. Db2 Tfe8 16. TxTa8 LxTa8 17. e4 b4 18. Le3 bxc3 19. Dxc3 Db8 (mit +/-0,00). 


Die Computerbewertung gibt zwar absoluten Gleichstand aus, man beachte jedoch, dass Weiß bereits einen isolierten Bauern besitzt. Schwarz sollte sein Eröffnungsziel jedenfalls erreicht haben und tut sich etwas leichter.
Mit 20. g4? ging es nun rapide bergab (der Gegner meinte im Anschluss, dass ihm kein vernünftiger Zug mehr eingefallen wäre). 
20. dxc5 Sxe4 ist zwar noch schlechter, aber z.B.  20. Da5 wäre jedenfalls eine bessere Wahl gewesen (mit ähnlicher Fortsetzung wie in der Partie)


Die Computerbewertung fällt nun auf ca. -1,00: Schwarz kann einen Mehrbauern im Zentrum generieren und sofort in Bewegung setzen.
Partiefortsetzung: 20. g4? cxd4 21. Lxd4 e5! 22. Le3 d5! 23. Lg5 dxe4 24. LxSf6 SxLf6 25. Sxe4 Sd5 26. Dc2


Der Computer bevorzugt nun 26. … Sf4!. In der Partie entschied ich mich jedoch, das Läuferpaar mit 26. … Sb4 abzuholen und den offenen weißen Königsflügel anzugreifen.
Eventuell hätte man sich gegen die folgenden Drohungen noch irgenwie verteidigen können, was aber mit Zeitbeschränkung sicher sehr sehr fehlerträchtig wäre.

Es folgte: 
27. De2 SxLd3 28. DxSd3 h6 29. Sfd2 Td8 30. Dc2 Kh8 31. Tc1 f5 32. gxf5 gxf5 33. Sc5 Db4! (Schwenk zum Königsflügel; 33. … Dd6!! gewinnt sofort eine Figur) 
34. Sf1 Df4 35. Dc3 (gegen Df3 gerichtet) Tg8 36. Sg3 Lf6 37. Se6 Dh4 38. Kh2 f4


und Schwarz verlor nun die Figur, da auch immer Dxf2++ droht, und nach drei Zügen auch die Partie. 

Turnierfazit:   
In den ersten Runden sollte man mit Schwarz nicht allzu forsch auf Gewinn spielen, da dies, wie man sieht, sehr nachteilig ausgehen kann. Oft sind es später die nominell besseren Gegner, die ihre Stellung im Gewinnsinne überziehen und einem Konterchancen einräumen.

Burkhard Zühlke