VM 2019 Jugend Bericht 7

Am heißen Freitag kamen 3 Partien der Jugend-VM zu Stande.
Hier die Analysen:

Raphael-Dennis R. 0-1

Nach 6 Zügen musste der Springer sich entscheiden und ging nicht auf das "richtige" Feld, d5.
Diagramm nach 6...Sf6-e4



Hier sollte Raphael 7.De2 spielen, worauf Schwarz mit 7...f5 8.exf6 e.p. d5 die Partie fortsetzen kann. In dieser Stellung könnte Weiß lediglich mit 9. Sbd2 einen kleinen Vorteil erzielen. Züge wie 9. f7 oder 9.fxg7 kanzelt Stockfish mit -0,80 oder -1,30 als klar schlechter ab. Weiß zog hier aber 7.Ld3 Sc5 8.cxd4, worauf Schwarz nach 8...Sxd3 9.Dxd3 d6 die Oberhand behielt.
Kurze Zeit später: Diagramm nach 14. De3xf3



Dennis R. sollte hier mit 14...Sxd4 15.De4 dxe5 zwei Bauern gewinnen, da Weiß nach 16.Dxe5? Lf6 nebst baldigen Sb5 die Qualität verliert. Natürlich muss vorher die weiße Dame noch von der 5.Reihe vertrieben werden. In der Folge verspeiste Raphael den a7-Bauer, was ihn zuviel Zeit kostete. Nach dem 22. Zug von Weiß De1 hätte Schwarz bereits den Knockout einleiten können.
Diagramm



Stockfish gibt nun 22...Df5! als besten Zug an und bewertet ihn mit +5,28. Wie kommt er auf die hohe Bewertung: Die weiße Dame muss zunächst nach c1 flüchten. Dann zieht Schwarz mit 23...Sf4 seine letzte Figur in den Angriff. Die Drohungen sind vielfältig. Zum Beispiel: 24...Lxc3 nebst Damengewinn oder nach 24.Kh1 Sxg2 Zertrümmerung der weißen Königsstellung oder nach 24.g3 könnte Lg5 folgen und die weiße Dame ist nicht mehr zu retten. (gxf4 Lxf4 oder Kh1 Se2) Dennis R. zog aber 22...Db3 was zunächst nur einen Mini-Vorsprung von 0,80 ergibt.
Stellung nach 24.Tfe1?



Ein Fehler, denn hier kann Schwarz mit 24...Txe1 25.Dxe1 Dxb2!! 26.Txb2 Lxc3 drei Figuren für die Dame bekommen, da auch der Turm auf b2 wegen Grundlinienmatt verloren geht.
Stellung nach 27.g3??



Die folgende Kombination ist typisch und sollte in jedem Lehrbuch stehen. Ein Zweizüger der mit einem Killerzug beginnt: 27...Te1 28.Dxe1 Sf3 und bald darauf musste Raphael aufgeben.

Ziemowit-Nicole 0-1

Im folgenden Böckler-Duell gab es am Ende der Partie einen falschen Zug, der "leider" nicht reklamiert wurde. Nicole spielte Albins Gegengambit (1.d4 d5 2.c4 e5) Dieses Gambit wurde 1893 in New York von Adolf Albin gegen Emanuel Lasker eingeführt. Es gilt als riskant und wird daher selten gespielt.
Stellung nach 9.a3



Nun muss Nicole den Springer auf d2 nehmen, aber sie ging nach c5 und der Läufer war nach 10.b4 eingesperrt, da nach 10...Lb6 11.c5 die Bauernkette zuschnappt. Nicole nahm mit 10...Lxb4 lieber 2 Bauern auf b4. Diagramm nach 15.Ta7-a1



Weiß wäre mit dem Turm besser nach a3 gegangen, da er den Turm auf der 3.Reihe später zum Angriff führen könnte. Denn nun hätte Nicole die Minusfigur mittels 15...g5 zurück erobern können. Nach 16.Se4 gxf4 17.Sf6 Kh8 18.gxf4 hätte der Turm auf a3 natürlich die Drohung Ta3-h3 gehabt.
Nicole spielte aber 15...d3 16.Sa3? dxe2 17.Dxe2 Sd4 18.Dd1 Sd3 und Schwarz brachte beide Springer in eine gute Position.
Diagramm nach 20.Dd1-b1??



Weiß hätte mit 20.Dd1-g4 eine klare Gewinnstellung. Nun geht Ziemowit ohne Not in den Abzug. Nicole hätte mit 20...Sxc4 21.De4 Sxd2 22.Lxd2 Sb3 entweder die Qualiät gewinnen können oder Weiß hätte sich wie Stockfish entschieden und nach 20...Sxc4 21.Saxc4 Txb1 22.Txb1 die Dame gegeben.
Schwarz spielte in dieser Stellung aber 20...Dc6? worauf Weiß mit 21.De4 den Fehler ausbügelte. Stellung nach 33...Se5-d3



Nicole konnte ihren Rückstand fast komplett aufholen und nun fällt auch noch der gefährliche Freibauer auf c5. Weiß sollte 34.Tc3 spielen um den Springer zu nötigen sich in die Fesselung mit 34...Sxc5 zu stellen. Es kam aber 34.Tc2??? Ein Feld Unterschied kann oft viel ausmachen. Nicole nahm den Bauern trotzdem mit dem Springer. Mit 34...Se1 Schach war aber Materialgewinn möglich gewesen.

Kurze Zeit später kam es zu einer Gabel die eigentlich nicht möglich ist.



Nach dem falschen Zug 35...Sc5-e3 gewann Schwarz einen Turm und bald darauf die Partie. Niemand bemerkte den fatalen Zug und erst nachdem die Partie beendet war, kam dieser Lapsus manus  an die Öffentlichkeit.

Andrei - Sarah 0,5-0,5

Andrei konnte somit seine VM mit 4 aus 7 abschließen. Sarah kämpft gegen Benjamin um den Gruppensieg. Beide haben noch 2 Partien zu spielen.
Derzeit liegt Benjamin bei Punktgleichheit nach der Sonneborn-Berger-Wertung knapp vorne, aber auch Nicole und Ziemowit können theoretisch noch auf Platz 1 vorspringen. Nach einer zahmen Eröffnung stellt Andrei einen Bauern ein. Anschließend hat er Glück, dass Sarah nicht sofort zum Angriff bläst. Nachdem sich Weiß ins Match zurück gekämpft hat, unterläuft Andrei ein böser Schnitzer: Diagramm nach 27. Tb1xb6



Das Fesselungs-Motiv trifft hier gleich zweifach zu. Nach 27...Sh4 kann Weiß nach Hause gehn. Der g3-Bauer und der f3-Springer dürfen nicht nehmen, somit würde eine Figur verloren gehen. Sarah spielte hier 27...Le5 28.Lxa5? erneut wird die Drohung übersehen. 28...Sf4 und Schwarz gibt das falsche Schach, was laut Stockfish erstmal mit 0,00 bewertet wird. Nach 30.Kf1-e1 Diagramm:



sollte Schwarz mit 30...Sg2 31.Kd2 f5 die f-Linie öffnen um den Turm als weitere Angriffsfigur mit einzubeziehen. Stattdessen ging hier Sarah sehenden Auges in ein verlorenes Endspiel mit 30...Dh1 31.Kd2 Dxd1 32.Kxd1 Sxd3 33.Ke2 Sc1 34.Kd2 Sa2 und die schwarzen Figuren stehen allesamt schlecht.  Weiß könnte nun mit 35.c5 bereits Richtung Ziel eilen. Andrei tauschte aber auf e5 und verschaffte sich 2 entfernte Freibauern.
Andrei holte sich bald eine Dame und man würde vermutlich keinen Pfifferling mehr auf Sarah setzen, jedoch:
Diagramm nach 50...g6



Andrei nimmt den vergifteten Bauer auf e5 und nach 53...Tg5 schrumpft der Vorteil von Matt in 7 auf Matt in 13
Einige Zeit später: Stellung nach 62..Kf6



Weiß kann hier mit 63.Kg3 ganz einfach gewinnen. Auf 63...g5 würde der g5-Bauer mit 64.Th6 verloren gehen. Somit muß Schwarz stillhalten und der Weiß König läuft weiter nach h4. Aber auch andere Varianten gewinnen. Andrei zog nur noch den Turm auf der h-Linie und so gab man dann nach 91 Zügen remis.

Wolfgang Heimrath