Im dritten Spiel der Regionalliga Nordost trafen wir auf den Traditionsverein SC Noris-Tarrasch-Nürnberg (3.Mannschaft), den sicherlich bekanntesten Verein der Metropolregion. Mit 12 Titelträgern, die sich in den ersten drei Mannschaften tummeln, ist der Verein das Aushängeschild Mittelfrankens. Nach den ersten beiden Wettkämpfen lag das Team von Gerd Pranschke ungeschlagen auf Platz 3. Da die 1. und 2. Mannschaft zur selben Zeit antreten musste, und diese einige Ausfälle zu verzeichnen hatten, konnte unser Gegner nur mit 3 Stammspielern antreten.
Auf Grund neuer Regeln in den bayerischen Ligen, mussten wir erstmals auf einen externen Schiedsrichter zurückgreifen.
Der Verband bzw. die Mitgliederversammlung hat vor 2 Jahren beschlossen, dass in allen bayerischen Ligen ein ausgebildeter Schiedsrichter eingesetzt werden muss, der für diese Einsätze eine passende Lizenz benötigt. Vermutlich wurde vor einigen Jahren bestimmt, Schiedsrichter zu entsenden, damit man die Mannschaftskämpfe einer ELO-Auswertung unterziehen kann. In der Regionalliga und soweit ich weiß auch in der Landesliga ist das aber nicht der Fall.
In jedem Spiel muss nun der Heimverein einen Schiedsrichter organisieren, den er ganzheitlich zu bezahlen hat. Diese Regelung scheint mir persönlich etwas realitätsfremd zu sein. Wenn man bedenkt wie wenig Mitglieder ein Schachverein (37 Mitglieder im Schnitt) im Vergleich zu einem Fußballverein (280 Mitglieder im Schnitt) hat, die Fußballer jedoch keinen Schiedsrichter organisieren müssen, stehen wir hier als Neuaufsteiger erstmal vor einem "Problem", das wir uns durch den Aufstieg selbst eingebrockt haben. Jährlich finden 315 Spiele in den bayerischen Erwachsenen-Ligen statt und vermutlich gibt es auch ein paar Streitfälle.
Bis vor kurzem waren die beiden Kapitäne der Mannschaften als Schiedsrichter für den Wettkampf ausreichend. Hier muss ich die Frage stellen:
Braucht man 315 Schiedsrichter für 10 Streitfälle oder gab es vorab eine Streit-Lawine bei Mannschäftskämpfen die den Verband zu dieser Maßnahme gezwungen hat?
Wenn wir tatsächlich so viele Schiedsrichter brauchen, stellt sich die Anschlußfrage:
Wurden die Regeln so verkompliziert, dass sich ein erfahrener Schachspieler nicht mehr in der Lage fühlt, den Kampf zu leiten?
Ich würde vorschlagen diese Schiedsrichter-Inflation rückgängig zu machen, von mir aus auch in einem gewissen Zeitraum, bis die  Schiedsrichterlizenzen der neu ausgebildeten Schiedsrichter ausgelaufen sind, denn diese Lizenzen müssen ja auch ständig erneuert werden.
Als Alternative kann man gerne auch einen Schiedsrichter einsetzen, der dann aber von beiden Vereinen bezahlt werden muss und dessen Einsatz vom Verband organisiert wird.
Muß der bayerische Schachbund jede sinnfreie, jede diskutable Regeländerung der FIDE übernehmen?

Nun aber zum Wettkampf:

SG 1882 Fürth - SC Noris Tarrasch Nürnberg 3   4,5-3,5

Brett 2:

Joseph kann mit Weiß keinen Druck erzeugen und kommt früh in ein ausgeglichenes Turmendspiel. Keiner glaubt hier an einen Sieg und so wird Remis vereinbart.
0,5-0,5

Brett 3:
Fabian M. bekommt es mit dem Mittelgambit zu tun. Nach zwei schwächeren Zügen von Weiß entsteht folgende Stellung (nach 10.f2-f3):



Mit 10...Sh5 behauptet Stockfish wäre der Vorteil von Schwarz bereits bei 3,10. Weiß kann wegen der d4-Gabel nicht nach e3 und so ist folgende Zugfolge relativ zwingend:
11.Dg5 Lxc3 12.bxc3 Sf6 und egal wie Weiß nun fortsetzt (Stockfish gibt Le2 als stärkstes an, knapp vor Dg3) ist die weiße Rochadestellung mit dem isolierten Doppelbauer sehr anfällig. Fabian spielte aber 10...dxe4 11.Lxe4 Ld6 und der Vorteil ist dahin. 4,5 Züge später wird Remis gegeben.
1-1

Brett 4:


Heinrich hat erstmals Weiß und muss wie im Fußball als Heimmannschaft das Spiel machen. Dies liegt ihm nicht, denn Heinrich ist eher ein Counterpuncher, der die gegnerischen Angriffe abwehrt und dann zurückschlägt. In einer symmetrischen Stellung lehnte Heinrich das Remisangebot ab. Als ein Bauernverlust droht, versucht Henrich in Kamikaze-Manier zu decken. Aber es folgt ein Schlagabzug mit Gardez und die Partie ist verloren. Sein Gegner opfert noch Engine-like die Qualität und hat nun +6,00 Vorsprung. Bald laufen zwei verbundene Freibauern auf die Grundlinie zu und Heinrich gibt auf.
1-2

Brett 1:


Ediz spielte Katalanisch und lässt sich auf eine unklare Variante ein, in der ein Triple-Bauer die Hauptrolle spielt.
Nach einem Zug aus der besagten Triple-Bauern-Reihe kam es zu folgender interessanter Stellung nach 13.d4xc5 (Diagramm)



Nun hätte Ediz mit 13...Dxc5 14.La3 cxb3 15.Dxc5 Lxc5 spielen können, da 16.Lxc5 wegen b2 nicht geht, muss Weiß nun 16.axb3 spielen und Schwarz hat alle Probleme beseitigt.
Ediz spielte stattdessen den vorerst gleichstarken, aber rechnungsärmeren Zug 13...De5 14.Lb2 Dh5 (besser wäre hier wieder Dxc5) 15.Sd2 Tfd8 und muss nun um den Ausgleich kämpfen. Kurze Zeit später hat Ediz alle Schleusen geöffnet und steht klar auf Verlust:
Nach Tb8-d8 kam es zu folgender Stellung:



Stockfish gewinnt hier mit 22.Ld4!! Er unterbricht die Linie und so wird der letzte Turmzug ad absurdum geführt (+6,50). Ein ähnlich starker Zug wäre hier 22.Dxb7 (+5,50).
Der Partiezug war hier 22.Lxb7 worauf Ediz zum Schein-Angriff blies: 22...Sxg4 23.hxg4 Dxg4 24.Lg2 Dh4, wurde aber mit dem Larry-Zug  25.Tf1 gestoppt. Als Weiß unnötigerweise versucht seine passiveren Figuren zu aktivieren (von Lg2-Kg1 auf Lf3-Kg2) übersieht er dass sein Läufer auf f3 ungedeckt ist. Dieser Figureneinsteller bringt Ediz FIRST und später auch der SG den Sieg.
2-2

Brett 7:


Norbert steht früh sehr gut und könnte mit der langen Rochade weiteren Boden gut machen. Mit Kf7 läuft er unnötig auf schwieriges Terrain. Stellung nach 22.Sd2



Nun hätte Norbert mit 22...Sg5 ein schönes Tempo gewinnen können. Nach 23.Dg2 c5 24.Sb3 cxd4 25.cxd4 Sb6 gibt Stockfish einen Vorteil von 1,40.
Norbert spielte das thematische 23.Sdf6 und stand nach 23.Sxe4 Txe4 24.Sg2 c5 leicht besser. Die Dame von Norbert zeigte sich alsbald am Damenflügel:



Weiß kann hier mit 34.Kh1 die Partie offen halten. Er zog aber 34.Te2 und musste nach 34...Td2 die wichtige Verteidigungsfigur tauschen. Im Kreuzschritt gab Norbert nun 7x Schach und ließ dann beim Gegner eine Millisekunde Hoffnung aufkommen. Das auf den ersten Blick komplizierte Damenendspiel, erwies sich bei näherer Betrachtung als Mattfalle.
3-2

Brett 5:


Karl musste gegen Christian Renner antreten, der, trotz beachtlicher Spielstärke, seit Jahren nicht in den beiden Elitekadern von Noris-Tarrasch spielt, sondern in der Reserve der Reserve seine Punkte sammelt. Karl musste sich einem Damengambit mit Lf4 stellen.
Nach vielen kleinen Manövern ist die Position ausgeglichen. Als die Zeit von Karls Gegner schwindet, laviert sich Karl zu einer Gewinnstellung. Als er mit seiner Dame in Feindesland auf Jagd geht, stellt er die Dame auf ein vom Bauern bedrohtes Feld, worauf sie sein Gegner humorlos schlägt.
3-3

Brett 6:


Ich bekam zum dritten Mal Weiß und musste zum dritten Mal gegen Sizilianisch spielen. Diesmal ging es in die Kalaschnikow-Variante. Vermutlich heißt sie so, weil die Stellung wie ein Gewehr der russischen Volksarmee aussieht. Zumindest konnte ich keinen Großmeister finden, nach dem diese Anfangszüge benannt wurden. Früh kommt ein unmotivierter Damenzug und ich rette meinen Läufer nach Plan B. Nach 16...Sd7-b6 hatte ich meine erste Langzeitüberlegung:



Obwohl der Springer gerade auf ein Feld ging, wo er keine Perspektive hat, was ich mit b3 beweisen könnte, interessierte mich die Variante, die vielleicht mein Gegner vorhatte und überlegte mir eine kleine Falle, die mit einem Bauerngewinn oder sogar mit einem Figurengewinn enden könnte.
17.Dd3!? (Stockfish sieht diesen Zug auf Platz 2) f5 18.Db3 Sd7 (Dc7 geht nun nicht wegen c5-Schach) 19.exf5 Sc5 20.Df3 und Weiß würde sehr gut stehen. Aber ich fand die Stellung unübersichtlich und entschied mich nach 15 Minuten doch für b3.
Stellung nach 23...Tf8-f7



In dieser Stellung überlegte ich den Stockfishzug h4! (+1,30) und den Yellow-Zug Lg4? (+0,50) und da ich mich nicht entscheiden konnte, zog ich Dh4, (+0,55) was den Vormarsch des h-Bauern verhindert, aber den Läuferzug unterstützt.
Stellung nach 34...Ta7-a2



Hier zeigt Stockfish, dass der Zug 35.c5!! einen Vorteil von 3,00 ergeben würde. Nach dxc5 folgt Txe5 und auf bxc5 folgt das Qualitätsopfer:
36.Txd6 Sxd6 37.Txd6. Hier sah ich De8 und verwarf das Opfer, aber nach 37...De8 folgt 38.Dd5 Kg7 39.Te6 und Weiß gewinnt.
In der Partie folgte 35.Lh4 De8 36.Db1 Te2 37.Kg1 und der Turm kann nicht mehr zurück, womit ich einen Bauern nach Kf1 erobern konnte.
Nach 50 Zügen verlor ich etwas die Geduld und wollte das Endspiel forcieren : Stellung nach 50.Kg8-f7



Hier hat fast jeder Nullzug ein Plus 5 zur Folge. Das Damenendspiel 51.Lxe7? Dxe7 52.Dxb6 war mir zu kompliziert und so tauschte ich lieber die Damen, als die Leichtfiguren. Ich zog 51.Dd5? und halbierte damit meine Siegchancen auf +2,50.
Nach 51...Sxd5 52.Lxd8 übersah ich den Zwischenzug Ke8!? und die nun realitv einfach gewonnenen Bauernendspiele cxd5 oder exd5 schloß ich kategorisch aus. Nach 53.Lg5 zog mein Kontrahent den Provokationszug 53...Sf4 den ich erneut nicht nahm. Stockfish zeigt hier +10,00! Dieser hat aber auch keinen Blutdruck und keine Kreislaufschwächen.
Allerdings hätte stattdessen der Rückzug 53...Sc7 wesentlich bessere Aussichten auf eine Punkteteilung gehabt (+1,55).
Ich zog den schwachen Zug 54.g3 und nach Sd3 wäre es echt schwierig geworden, wenn mein Gegner fehlerlos gespielt hätte.
Am Ende blieb mir ein Mehrläufer und der richtige Randbauer zum Gewinn.
4-3

Brett 8:


Robert gab sein Debüt in der 1. Mannschaft und spielte noch, als alle anderen bereits ihre Partien beendet hatten. Im Nimzo-Indisch konnte Robert zunächst keinen Vorteil erzielen. Als sein Gegner einer Zugwiederholung auswich, fand er einen Engine-Zug. Stellung nach 21...Dd6-c7



Robert zog hier 22.Sxg7!! Nach 22...Kxg7 23.Df5 geht ein Springer verloren, denn sollte der e5-Springer gedeckt werden, gewinnt Dg5 und auf Züge des f6-Springers kann die Fesselung mit f4 verstärkt werden. So zog sein Gegner 22...Se4 23.Sf5 Seg4 24.g3 Nun sollte eigentlich 24.Sgxf2 folgen, aber Schwarz spielte überraschend Se5? Nach 33.Tb8-f8 entstand folgende Stellung:



Weiß sollte hier Txf3 Txf3 Dxg2 spielen oder sofort Dg2. Robert dachte er könne mit De2 klammern, aber nun kam Tf2! und Weiß musste die Dame geben. Dennoch blieb Turm und Läufer übrig und viele hielten das Endspiel für Remis. Nur Stockfish war mal wieder anderer Meinung (+2,50 für Schwarz). Roberts Gegner versuchte es bis zum 80. Zug, konnte aber keine Fortschritte erzielen und so endet die Partie remis.
4,5-3,5

Fazit:
Wie so oft kann das Match bei knappem Endstand so oder so ausgehen. Ediz und Karl tauschten ihr Ergebnis, was für uns zum gleichen Resultat führte. Fabian M. und Robert hatten kurzzeitig Gewinnstellungen, die aber "nur" zum Remis führten. Erfreulich, dass wir die Ausfälle von Fabian E. und Dieter verkraften konnten, was wohl etwas erleichtert dadurch wurde, dass der Gegner nicht in Bestbesetzung antrat. Im letzten Kampf des Kalenderjahres erwarten wir in zwei Wochen im heimischen Gefilde den SC Postbauer-Heng.

Wolfgang Heimrath

⇐ Zurück